Die Region fördern und Unternehmen vernetzen: mit diesen Leitideen ging der Verein „zukunftsraiff.“ am 23. August in Hamm (Sieg) an den Start. Hervorgegangen aus dem Entwicklungsprojekt des Innovations- und Gründerzentrums (IGZ) der Verbandsgemeinde Hamm (Sieg), konnte der Verein neun Gründungsmitglieder aus Handwerk, Industrie, Wissenschaft und Verwaltung gewinnen. Bei diesen Mitgliedern soll es allerdings nicht bleiben: Deshalb organisierte die Wirtschaftsförderung Hamm (Sieg) unter der Federführung von Tim Ehrlich für den 29. August eine (öffentliche) Auftaktveranstaltung, bei der sich „zukunftsraiff.“ auf besondere Weise erstmals einer größeren Öffentlichkeit präsentieren sollte:
Rund siebzig Besucher:innen, darunter Bürger:innen, Firmeninhaber:innen und politisch und gesellschaftlich Engagierte aus der Umgebung, füllten am Donnerstagabend das Kulturhaus in Hamm bis auf den letzten Platz und in erwartungsvoller Stimmung. Kirsten Steimel von regiotrend, die das IGZ-Projekt seit 2022 begleitet hat, und Dietmar Henrich, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Hamm (Sieg) begrüßten die Anwesenden, bevor das Wort ohne große Umschweife an Timur Sereflioglu übergeben wurde.
Einbindung von KI als Ansatz für größere Effizienz und umfangreiche Assistenz
Sereflioglu ist „zukunftsraiff.“-Gründungsmitglied und neben seiner Tätigkeit an der Universität Siegen auch Teil des Mittelstand-Digital Zentrums Ländliche Regionen. Er schilderte, wie er erst vor einigen Wochen von dem IGZ-Projekt erfahren hatte, aber darin schnell Potential erkannte, Region und Wirtschaft voranzubringen, sodass er nun sogar Teil des Vereinsvorstands ist.
Der kürzlich getaufte Verein will mit seinem Namen „zukunftsraiff.“ bewusst an die Ideale des regionalen Schutzpatrons Friedrich-Wilhelm Raiffeisen erinnern, der mit seiner Genossenschaftsidee und dem Leitbild von „Hilfe zur Selbsthilfe“ für Selbstermächtigung und Solidarität einstand.
Selbst in Hamm wohnend, hob Sereflioglu hervor, dass in der heutigen Zeit in vielen Jobs Remote-Arbeit möglich und Chancen weniger ortsgebunden seien, sodass auch viele jüngere Menschen wie er das Leben auf dem Land langfristig wieder bevorzugen. Im „zukunftsraiff.“-Verein will sich Sereflioglu mit seiner Expertise im KI-Bereich einbringen, Möglichkeiten aufzeigen, KI einzusetzen und Angebote für Unternehmen und Institutionen schaffen. Dazu gab er mit seiner sprechenden Begleiterin „Lena“ einen kurzen Einblick in die Fähigkeiten sprachbasierter KI-Assistenten und demonstrierte den gewissen Wow-Effekt, den der Einsatz dieser Technik bei Zuhörer:innen hervorruft.
„zukunftsraiff.“ will hoch hinaus – mit den Füßen auf dem Boden.
In der neu aufgesetzten Satzung des „zukunftsraiff.“-Vereins, die über die eigene Website des IGZs abrufbar ist, sind die Netzwerkbildung, Fachkräfteakquise, Innovationen und Förderung von Existenzgründungen als Kernziele festgehalten. Nun haben diese Ziele einen schönen Klang, aber viele Schritte auf dem Weg zu ihnen bergen Herausforderungen, die insbesondere bei lokal ansässigen Unternehmen wohlbekannt sind. Daher galt es dem „zukunftsraiff.“-Verein im Rahmen seiner Auftaktveranstaltung allem voran aufzurütteln, den „Mut zum Mitzumachen“ anzufachen und im Dialog mit Interessierten Ideen zu entwickeln.
Dazu hatte „zukunftsraiff.“ mit Hilfe von Quest-Team, vertreten durch den Potentialentwickler Philipp Jung, einen renommierten Gastredner eingeladen: Den Entwicklungsexperten Prof. Dr. Dr. Dr. hc. F.J. Radermacher, der sonst auf Bühnen in aller Welt zuhause ist – ein Grund dafür sicherlich auch sein rhetorisches Talent, welches auch an jenem Abend in Hamm zum Tragen kam.
Der Puma mit dem kleinen Rechner im Kopf
Eine gute Stunde wusste Radermacher seine Zuhörer:innen mit seinem Vortrag zum Thema „Unternehmertum in ver-rückten Zeiten“ zu fesseln. Dabei scheute er sich nicht, kontroverse Positionen einzunehmen und einen relativierenden Blick auf das KI-Thema seines Vorredners Sereflioglu zu werfen. Es ging Radermacher darum, deutlich zu machen, dass es nach wie vor kein Wesen und keine Maschine gäbe, die „im Sinne des Menschen intelligent sei“ – der Mensch: ein Puma mit einem kleinen Rechner im Kopf, so seine Metapher. Einen umso höheren Stellenwert nehmen für Radermacher die „Dinge, die der Mensch mit den Händen tut“ und die gesellschaftliche Einbettung des Menschen ein.
Der Professor warnte davor, Trends und vermeintlichen Innovationen mit Schnellschüssen hinterherzujagen und mahnte zu einer kritischen Evaluation hinsichtlich Nutzen und Machbarkeit. Eine Gesellschaft bringe nur Innovationen hervor, wenn genügend Menschen gut ausgebildet und zur Nutzung des eigenen Verstandes befähigt seien. An das Sprichwort „A fool with a tool is still a fool.“ angelehnt, brauche es – platt ausgedrückt – mehr „tools“ und weniger „fools“. Dass etwas großflächig en vogue ist, sei außerdem per sé kein guter Indikator für eine pragmatische, effektive bzw. zielgerichtete Maßnahme.
So manch einem mochte bei Radermachers Überspitzungen, seinen schonungslosen und teils einschlägigen Interpretation von Zusammenhängen oder seiner nüchternen Haltung zu Nachhaltigkeitskonzepten wie grünem Strom kurz der Atem gestockt oder sich auch das Bedürfnis geregt haben, Kritik zu äußern. Daher tat Radermachers stellenweise pessimistische Zeichnung dem Initialfunken, den der „zukunftsraiff.“-Verein zünden wollte, keinen Abbruch.
Im Gegenteil: Unabhängig, an welcher Stelle in der eigenen Meinung tangiert oder bestätigt – nicht nur im Anschluss an Radermachers Vortrag, sondern auch im weiteren Verlauf des Abends zeigte sich, dass die Anwesenden miteinander ins Gespräch kommen wollten. Radermacher hatte mit seinen Impulsen viel Stoff zum Nachdenken geliefert. Angespornt, über praktikable Lösungen und realistische Meilensteine zu diskutieren, wirkte die Euphorie im Raum nicht gedämpft, sondern angefeuert. Dies zeigte sich auch an der Menge an Interessierten, die der Einladung des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde folgten, sich im Anschluss an die Veranstaltung im Gasthaus „Zum Raiffeisen“ weiter über das Gesehene und Gehörte zu auszutauschen.
Die eigene Nische finden
Auf Nachfrage eines selbstständigen Fotografens aus Hamm (Sieg), ob Radermacher auch ohne eingehende Kenntnisse der Region mit seiner Erfahrung hinsichtlich der Entwicklung zukünftiger Projekte des „zukunftsraiff.“-Vereins einen universellen Ratschlag geben könnte. „Sie müssen Ihre Nische finden“, antwortete Radermacher. Es gelte, Besonderheiten herausstellen, die einen Lebensstandort/ein Unternehmen attraktiv machen und von der jeweiligen Konkurrenz abheben. Dass diese Besonderheiten schon vorhanden sind, darauf verwies Sereflioglu mit Beispielen aus dem Landschafts- und Freizeitbereich, die noch stärker beworben werden sollten, um Menschen von außerhalb anzuziehen. An diesen Gedanken angelehnt ist das Innovations- und Gründerzentrum, gefördert von der Zukunftswerkstatt Kommunen, bereits aktiv geworden: Im Herbst wird ein professionell produzierter Imagefilm die Verbandsgemeinde und Region präsentieren.
Eine Woche später: Eindrücke und Rückblick
Auf die Gründung des „zukunftsraiff.“-Vereins hat das IGZ der Verbandsgemeinde Hamm (Sieg) lange hingearbeitet. Die Auftaktveranstaltung war ein Highlight in der bisherigen Projektentwicklung und hat dem neu gegründeten Verein Elan gespendet, um die Zukunft zu bestreiten und weitere Interessenten an einer Mitgliedschaft ansprechen können.
„Mit etwas Abstand zur Veranstaltung sind wir sehr froh, dass wir alle Bereiche vom Handwerker, Künstler, Unternehmer, Einwohner, Schule ansprechen konnten“, meint Wirtschaftsförderer Tim Ehrlich und zieht damit ein positives Fazit aus Veranstaltung. „Nun hoffen wir, ganz im Sinne Raiffeisens, Ideen sammeln und Projekte umsetzen zu können.“
Fest stehen drei Dinge: Es wird ein langer Weg und aller Anfang ist schwer – Größe und Umfang der Ziele, die der Verein sich stecken kann, sind abhängig von der Anzahl seiner Mitglieder, deren Kapazitäten und einer geeigneten Strukturierung und dauerhaften Koordination. Und drittens: Es könnte sich lohnen. Mit der Planung einer Ausbildungsmesse am 30. / 31. Januar 2025 hat das IGZ-Projekt im Vorfeld bereits einen wichtigen Grundstein gelegt und viel Zeit darauf verwendet, neue Kontakte aufzubauen und die Vernetzung regionaler Unternehmen untereinander sowie Wissenschaft, Verwaltung und Schule, voranzutreiben.
Schritt für Schritt kann es im Schulterschluss mit verschiedenen Institutionen und Stellen gelingen, pragmatisch statt bürokratisch kreativ zu werden, Neuerungen zu unterstützen und schneller umzusetzen, bewährte Vorgehensweisen zu teilen, um sie auch anderswo zu etablieren und die Potentiale der Region besser auszuschöpfen.
Für alle Fragen rund um eine Vereinsmitgliedschaft bei „zukunftsraiff.“ gibt der Wirtschaftsförderer der VG Hamm (Sieg), Tim Ehrlich (Tel. 02682 9522-20), gerne Auskunft. Neben der Vereinsgründung erscheint seitens des IGZ dieses Jahr auch noch ein Imagefilm, der die Region und Verbandsgemeinde Hamm (Sieg) mit ihrem Slogan „…einfach wir“ professionell und ansprechend nach außen hin präsentieren will. Das nächste große Event ist mit der Ausbildungsmesse am 30./31. Januar 2025 geplant.